Neues Leben braucht die Fabrik

Text von Jessica Wirth
Bilder von Jessica Wirth

Es sind Welten, die aufeinanderprallen: Ich stehe vor dem grossen Fabrikgebäude aus den 50-er Jahren. Ich fahre den alten Warenlift hoch, laufe einen dunklen Korridor entlang und befinde mich plötzlich in einem grossen hellen Büro. Umringt von pulsierendem Leben, sprudelnden Ideen und einer Menge Neuer Medien.

Das weitläufige Areal liegt am Ufer der kleinen Emme, nördlich vom Seetalplatz. Ich stelle mir vor, wie das Leben pulsiert hat – damals. Beinahe sehe ich, wie die Arbeiter und Arbeiterinnen in den grossen Gebäuden verschwinden. Wie die Maschinen rattern. 1906 wurde dort erstmals Kunstseide produziert. 70 Jahre später stellten bereits 5500 Menschen 54’500 Tonnen Viscoseseide, Zellwolle, Pneu-Kunstseide und Nylon her. Goldige Zeiten für Emmenbrücke. Das Ausland setzte der teuren Schweiz jedoch zu. 2006 arbeiteten noch 360 Menschen in den grossen, immer leiser werdenden Hallen, die wenig später ganz verstummten. Die 2009 gegründete Firma Monosuisse, welche die Tradition des Fadens wieder aufleben liess, brachte die Produktion in einem einzigen Gebäude unter. Die restlichen Industriebauten blieben leer. Bis sich 2014 einige ein Herz fassten und das Projekt «Viscosistadt» in’s Leben riefen: Das ehemalige Fabrikgelände sollte neu bespielt werden – für die Arbeit, für Bildung, Kultur und zum Wohnen.

Spinnerei beilage tavolago ag luzern

Zurückerobern

Heute haben sich bereits mehr als 100 Firmen und Institutionen in den «Industrie-Chick» am Flussufer eingemietet. Die beiden bekanntesten Namen unter ihnen sind wohl die «Hochschule Luzern für Design und Kunst», sowie auviso. Letztere bietet Eventtechnik für Veranstaltungen an, unterhält bereits vorhandene Installationen und stattet Bürogebäude, Hotels oder Restaurants technisch aus. Geschäftsführer Martin Elmiger verbindet eine persönliche Geschichte mit der Viscosistadt: Seine Grossmutter wuchs auf einem nahe gelegenen Bauernhof auf und erlebte das Wachstum der Industrie hautnah mit. Davon hat sie ihm oft berichtet. Als der alte Standort für die eigene Firma zu klein wurde, beschloss Elmiger kurzerhand, in eines der geschichtsträchtigen Industriegebäude umzuziehen. Seitdem haucht er den einzelnen Stockwerken neues Leben ein: mit modern ausgestatteten Büros und Sitzungszimmern, einem grossen technischen Lager, einigen Werkstätten, etwa 130 Mitarbeitenden und innovativen Ideen. Ausserdem bespielt auviso die Eventlocation «Spinnerei», welche ihren Platz ebenfalls in der Viscosistadt gefunden hat: 1900 m2 reines Industrieambiente.

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Eine Liaison

Martin Elmiger, der es liebt, Leute zusammenzubringen, war sofort klar: Technik alleine begeistert wenig. Ein reichhaltig gedeckter Tisch oder feine Häppchen gehören zu jedem gelungen Anlass mit dazu. Der Wunschpartner für das Catering vor Ort war die Tavolago mit Tavola Catering, welche sofort mitmachte. Seit 2014 arbeiten die beiden Unternehmen zusammen. Damals baute auviso auf dem Steg beim Seebistro LUZ eine grosse LED-Leinwand auf, wo begeisterte Fussballfans während den Weltmeisterschaften ihr Sommermärchen erlebten. Seitdem sind auviso und die Tavolago für Events jeglicher Art gemeinsam unterwegs – auf Augenhöhe, wie Elmiger berichtet: «An unserer Zusammenarbeit schätze ich die Fairness besonders. Wir reden offen miteinander und ich fühle mich nicht wie eine Nummer. In unserer Branche ist das selten.» Die Aufgaben der beiden Partner sind klar verteilt: individuell zugeschnittene Inszenierungen auf der einen, vielseitige kulinarische Reisen auf der anderen Seite.

Elmiger schnürt gerne Gesamtpakete für seine Kunden. Wenn es um Neue Medien und Technik geht, ist das gesamte Know-how bereits jetzt in der Firma vorhanden: «Für uns wird es immer wichtiger, Gesamtlösungen anzubieten. Dazu gehört nicht nur die technische Umsetzung einer Idee. Wir beraten konzeptionell, produzieren Content und inszenieren Abläufe. Die Technik kommt in einem zweiten Schritt dazu. Das Wort der Stunde heisst «Interdisziplinarität». Das ist die Zukunft.» Ich durchquere die grosszügige Eventhalle, in welcher gerade eine Kulisse des Luzerner Theaters aufgebaut ist. Vor dem Gebäude treffe ich auf einige Studenten, die zielsicher gegen Mittag steuern. Ihr lautes Lachen hallt von den hohen Mauern wieder, lebendig. Ein Anfang – ja, ein guter Anfang.

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